Sind zwei Bildstabilisatoren besser als einer?

Einige Systemkameras haben einen eingebauten Bildstabilisator, der Verwacklungen mit einem beweglichen Sensor ausgleicht. Auf der anderen Seite gibt es Wechselobjektive, die ihrerseits Verwacklungen mit beweglich gelagerten Linsen verhindern sollen. Müsste die Bildstabilisierung nicht noch wirksamer sein, wenn man beide Verfahren gleichzeitig einsetzen würde, sodass man mit noch längeren Belichtungszeiten fotografieren könnte?

Ein Bildstabilisator im Gehäuse, … (Quelle: Olympus)

… kombiniert mit einem Bildstabilisator im Objektiv – arbeiten sie gemeinsam besser als jeder für sich allein? (Quelle: Panasonic)

Leider funktioniert das nicht. Es gibt zwar Kamerasysteme wie Micro FourThirds, bei denen man Kameragehäuse mit Bildstabilisator (von Olympus) mit bildstabilisierten Objektiven (von Panasonic) kombinieren könnte, aber selbst wenn die Kamera nicht den gemeinsamen Einsatz beider Bildstabilisatoren verhindern würde, brächte das keinen Vorteil – im Gegenteil.

Beide Systeme zur Bildstabilisierung arbeiten unabhängig voneinander; beide messen die Kamerabewegungen in der prinzipiell gleichen Weise und versuchen sie jeweils auf ihre Art auszugleichen – durch die Verschiebung einer beweglichen Linsengruppe beziehungsweise eines beweglichen Sensors. Während schon ein Bildstabilisator allein die Verwacklungsbewegungen ausgleichen würde, versucht der zweite Bildstabilisator, im bereits stabilisierten Bild einer vermeintlich noch vorhandenen Verwacklung gegenzusteuern, und erzeugt so eine etwa ebenso starke Verwacklungsunschärfe, wie sie sich ganz ohne Bildstabilisator ergeben hätte.

Dass zwei Bildstabilisatoren also gerade so gut wie gar kein Bildstabilisator sind, liegt daran, dass sie nichts voneinander wissen. Wie sähe es aber aus, wenn die beiden Systeme Daten austauschen und miteinander kooperieren könnten – wären die Ergebnisse dann besser als mit einem Bildstabilisator allein? Wie gut ein Bildstabilisator Verwacklungen kompensieren kann, hängt vor allem davon ab, wie gut er die Kamerabewegungen voraussagen kann und wie präzise das Korrekturelement den Steuersignalen folgt. Das in dieser Hinsicht bessere der beiden Systeme würde nicht davon profitieren, wenn es zusätzlich die schlechteren Voraussagen des anderen Systems berücksichtigen oder dessen weniger präzise Kompensationsbewegungen nutzen würde.

Aber würde ein zweiter Bildstabilisator nicht wenigstens den Bereich erweitern, in dem Kamerabewegungen noch ausgeglichen werden? Auch diese Hoffnung trügt. Das Objektiv erzeugt ein kreisrundes Bild, von dem der rechteckige Sensor einen Ausschnitt erfasst. Da der Bildkreis etwas größer als die Sensordiagonale ist, bleibt ein Spielraum, der zur Bildstabilisierung genutzt werden kann. Entweder verschiebt eine bewegliche Linsengruppe den Bildkreis über einem fest montierten Sensor, oder ein beweglich gelagerter Sensor verschiebt sich unter dem Bildkreis, aber in jedem Fall ist die Grenze der Ausgleichsbewegungen überschritten, wenn ein Teil des Sensors außerhalb des Bildkreises liegt. Ob das aufgrund von Bewegungen des Bildkreises oder des Sensors geschieht, spielt keine Rolle, und daher gibt es keine Möglichkeit, diesen Bereich zu erweitern.

Somit bleibt immer dann, wenn zwei Bildstabilisatoren zur Wahl stehen, nur eine Option: Denjenigen Bildstabilisator einzuschalten, der sich in der Praxis als wirksamer erweist, und den anderen ausgeschaltet zu lassen.


Vermissen Sie eine Antwort auf Ihre Frage? Dann schicken Sie die Frage an faq@digicam-experts.de. Falls Frage und Antwort von allgemeinem Interesse sind, werden wir sie anonymisiert auch hier in der FAQ veröffentlichen.

Copyright ©2011 by Michael J. Hußmann