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Hoffen auf Firmware

27.02.2006 | mjh

In den guten alten Zeiten der Silberhalogenidfotografie war es immer der nächste Objektivkauf, nach dem wir ganz bestimmt all jene Fotos machen würden, die wir immer schon gerne gemacht hätten, aber aufgrund der Beschränktheit unserer verfügbaren Mittel nicht machen konnten. Wer hätte sich je davon irritieren lassen, dass unsere fotografischen Vorbilder bisweilen mit viel einfacheren Mitteln Meisterwerke produziert hatten?

In der Epoche der Digitalfotografie scheint nun die Firmware der Kamera die Rolle der Universalausrede für unbefriedigende Resultate übernommen zu haben. Kaum hat man seine neue Digitalkamera ausgepackt, sucht man auch schon im Internet nach einer neueren Firmware-Version. Wehe dem Hersteller, der die Firmware seiner Modelle nicht regelmäßig aktualisiert! Nicht etwa nur deshalb, weil man eine Fehlfunktion entdeckt hätte und auf deren Behebung hofft; auch wenn die Kamera einwandfrei arbeitet, fühlt sich der Kunde vernachlässigt, falls Firmware-Aktualisierungen ausbleiben. In den diversen Online-Foren werden akribisch die vermeintlichen Mängel der jeweiligen Modelle zusammengetragen: diese Kamera belichtet immer um 1/3 Blendenstufe zu großzügig, jene um eine Blendenstufe zu knapp, wieder eine andere fokussiert immer vor oder hinter dem Motiv; eine neue Firmware-Version soll dem abhelfen, und bei der Gelegenheit gleich noch die Arbeitsweise der Belichtungsprogramme und der ISO-Automatik entsprechend der eigenen Vorlieben abändern. Wenn jüngst ein besser ausgestattetes Schwester- oder Nachfolgemodell auf den Markt gekommen ist, gehören auch dessen Features auf den Wunschzettel, den der Hersteller gefälligst per Firmware-Update abzuarbeiten hat – und das Vertrauen darauf, was alles per Firmware zu beeinflussen sei, ist bei manchen Fotografen grenzenlos. Da solche Wünsche aber nur selten erfüllt werden, folgen bittere Vorwürfe: So wie die anderen Kinder immer jene Geschenke bekamen, die uns unsere Eltern schnöde verweigerten, zeigten sich andere Hersteller als der des eigenen Modells angeblich bereitwilliger, Ausstattungsmerkmale nachzurüsten, die sie nie ausgelobt hatten und für die man nie gezahlt hatte.

Eine Statistik der Firmware-Aktualisierungen fällt dagegen ernüchternd aus: Die bei weitem überwiegende Zahl aller Updates behebt nur relativ obskure Bugs; typischerweise Fehler, die nur unter sehr speziellen Umständen überhaupt auftreten, und die eben deshalb erst nach der Markteinführung der Kamera erkannt wurden. Auch Tippfehler in irgendeiner der zur Wahl stehenden Menüsprachen gehören zu den häufiger behobenen Mängeln. Seltener wird die Arbeitsweise einzelner Funktionen verbessert und ausgesprochen rar sind Firmware-Updates, die neue Features installieren.

Zu den wenigen Ausnahmen aus jüngster Zeit zählen die Updates der Nikon D70 und Pentax *ist DS, die diesen Kameras alle Verbesserungen der Nachfolgemodelle D70s beziehungsweise *ist DS2 bringen, soweit sie nicht auf Änderungen an der Hardware beruhen. Nicht zufällig handelt es sich in beiden Fällen um D-SLRs: Aufgrund einer Mischkalkulation bieten die Hersteller solche modularen Systemkameras sehr günstig an, um die Schwelle zum Einstieg in das Kamerasystem niedrig zu halten; der Gewinn wird vor allem durch den Verkauf von Objektiven und Systemzubehör erzielt. Ein kostenloses Upgrade, das den Fotografen an das System bindet, hat dann auch einen kaufmännischen Sinn, selbst wenn man sich damit der Chance begibt, ein weiteres Exemplar des Nachfolgemodells zu verkaufen (wobei das Nachfolgemodell in Pentax’ Fall gar nicht in Europa angeboten wird). Für die Kompaktkameras gilt hingegen meist, dass man bekommt, wofür man bezahlt hat; mit kostenlosen Dreingaben wird man in der Regel selbst dann nicht rechnen können, wenn sie technisch möglich wären.

Was aber ist nun mit jenen Kameras, die fehlerhaft arbeiten? Serienfehler sind eine Realität, auch wenn sie in der Praxis seltener auftreten, als allgemein angenommen wird. Sie sind auch selten offensichtlich, und wenn ein echter Fehler durch ein Firmware-Update behoben wird, werden ihn manche Besitzer jenes Modells noch gar nicht bemerkt haben. Die meisten Probleme, deren Abhilfe man sich von einer neuen Firmware erhofft, haben ganz andere Ursachen: Bedienungsfehler, Missverständnisse, ein übertriebenes Vertrauen in die künstliche Intelligenz der Automatikfunktionen, und unzureichende Kenntnisse der fotografischen Grundbegriffe. Lehrbücher der Fotografie sind noch immer eine lohnende Anschaffung, und es kommt nicht einmal darauf an, inwieweit sie bereits auf die besonderen Aspekte digitalen Fotografierens eingehen. Viele, wenn nicht die meisten Grundregeln gelten universell, und wer sie kennt, wird auch mit Digitalkameras bessere Ergebnisse erzielen. Nicht zuletzt sollte man den Vorteil der Digitalfotografie, sofort Ergebnisse zu produzieren, ausgiebig nutzen, um Erfahrungen zu sammeln – es kostet ja nichts, ein paar Varianten zu fotografien. Je besser man seine Kamera kennenlernt, desto bessere Bilder wird man auch machen, und mit diesem Lernprozess kann man sofort beginnen, statt weiter – und vielleicht vergeblich – auf eine verbesserte Firmware zu warten.

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