Logbuch  |  Suchformular

Sucher, Displays und die einzig richtige Art, eine Kamera zu halten

13.03.2006 | mjh

Ich gebe es zu: Ich gehöre zu jenen Digitalfotografen, die ihre Kamera meist am mehr oder minder ausgestreckten Arm halten und das Foto anhand des Displaybildes komponieren. Das, so lese ich in einigen Online-Foren, tun nur Knipser; echte Fotografen schauen durch den Sucher – so die Kamera denn einen hat, und Kameras echter Fotografen haben einen. Nun, mit diesem Makel werde ich leben müssen, und es wird mir nichts nützen, dass diese Selbstbezichtigung nur für meine Superzoom-Kamera und die Ultrakompaktmodelle gilt; bei den Spiegelreflexkameras ist der Blick durch den Sucher natürlich Pflicht – ich besitze schließlich keine Olympus E-330 mit Live-Display.

Die Fotografie mit dem Auge am Sucherokular erscheint aber nur demjenigen selbstverständlich, dessen fotografische Sozialisation mit Kleinbildkameras begonnen hatte: Spiegelreflexkameras, Messsucherkameras ebenso wie einfache Kompaktmodelle haben alle einen optischen Durchblicksucher. Ein Mittelformatfotograf, der sich an den Blick auf die Mattscheibe eines Lichtschachtsucher gewöhnt hat, wird dies ganz anders sehen, und dasselbe gilt für den Großbildfotografen, der die Schärfe auf der Mattscheibe seiner Fachkamera kontrolliert. Sicher, ein Display mit vielleicht 230.000 Pixeln kann es nicht mit der Auflösung einer Mattscheibe aufnehmen, aber das Prinzip ist dasselbe: Der Fotograf schaut auf ein zweidimensionales Bild seines Motivs. Der Blick durch den Sucher dagegen lässt die Kamera vergessen; man meint, direkt auf das Motiv zu blicken. Der Blick auf das Mattscheiben- oder Displaybild hat seine eigenen Vorzüge, denn er ist dem Foto näher; er zeigt besser als der Sucher, wie aus verschiedenen Perspektiven unterschiedliche Bilder einer dreidimensionalen Wirklichkeit entstehen. Das Display ist, anders als die Mattscheibe, noch in einem anderen Sinn dem Foto näher: Es zeigt die Bilddaten des Sensors und lässt bereits ahnen, wie das letztendlich aufgenommene Digitalbild aussehen wird. Der Weißabgleich und die Tonwertoptimierung sind zwar nur vorläufig, aber manche Belichtungsprobleme kann man schon in diesem Stadium erkennen. Beim Blick durch den Sucher hingegen werden Auge und Gehirn allzu bereitwillig korrigierend eingreifen, sodass wir erst nach der Aufnahme erkennen, woran die weit weniger intelligente Belichtungssteuerung und Bildverarbeitung der Kamera gescheitert war.

Umgekehrt bietet auch ein Sucher Vorteile, und das nicht nur im prallen Sonnenlicht, wenn das Displaybild schlecht zu erkennen ist: Mit dem Auge am Sucherokular sind wir näher und unmittelbarer am Motiv. Unsere Vorliebe für Display oder Sucher hat auch etwas damit zu tun, ob das Bild oder das abgebildete Motiv im Zentrum unserer Art der Fotografie steht; die einzig richtige Art, eine Kamera zu halten, gibt es nicht.

Welchen Logbuch-Eintrag suchen Sie?

Sie können nach mehreren Wörtern suchen und auch Wörter ausschließen, die nicht vorkommen sollen: Mit „+zoom -makro“ suchen Sie beispielsweise nach Einträgen, in denen „zoom“, nicht aber „makro“ vorkommt.


   
Copyright ©2006 by Michael J. Hußmann