Was versteht man unter Farbsättigung?
Philipp Otto Runge (1777–1810) entwickelte schon 1809 ein Farbmodell, das Farben nach Farbton, Helligkeit und Sättigung unterschied
In vielen Farbmodellen werden Farben nach ihrem Farbton, ihrer Helligkeit und ihrer Sättigung beschrieben, und diese Begriffe benutzten wir auch, wenn wir über die Farbwiedergabe in der Fotografie reden: Bilder erscheinen zu hell oder zu dunkel, haben einen Farbstich, der die Farbtöne zu wärmeren oder kälteren Farben hin verschiebt, und sie sind zu wenig oder zu stark gesättigt. Wie wir aus dem Physikunterricht wissen, steht der Farbton in einem zumindest losen Zusammenhang mit der Wellenlänge des Lichts, und die wahrgenommene Helligkeit hängt offenkundig von der Lichtenergie ab. Von einer Farbsättigung aber war im Physikunterricht nie die Rede, und tatsächlich ist sie keine physikalische Größe. Was aber ist sie dann?
Wie die Physik Farben sieht …
Das weiße Licht beseht aus einer Mischung unterschiedlicher Wellenlängen, und mit einem Prisma kann man die Wellenlängen zu einem Spektrum auffächern, dessen Farben von Rot über Gelb, Grün und Blau bis Violett reichen. Die längeren Wellenlängen des Infrarot und die kürzeren Wellenlängen des Ultraviolett sind für das menschliche Auge unsichtbar.
Indem wir eine bestimmte Wellenlänge auswählen, können wir fast jeden beliebigen Farbton erzeugen – bis auf Purpur, dem keine Wellenlänge entspricht. Wir können die Lichtstärke ändern und damit unterschiedlich helle Farben erzeugen, aber jede der Spektralfarben, welche Wellenlänge und welche Helligkeit sie auch hat, ist immer vollkommen gesättigt. Was eine gesättigte oder ungesättigte Farbe ausmacht, kann man nur verstehen, wenn man weiß, auf welche Weise wir Farben wahrnehmen.
… und wie wir sie sehen
Das Prisma müssen wir nur deshalb zu Hilfe nehmen, weil unsere Augen kein ausgeprägtes Unterscheidungsvermögen für Wellenlängen haben. Die farbempfindlichen Sinneszellen sind für jeweils einen von drei breiten Wellenlängenbereichen sensibilisiert, die ungefähr den Farben Rot, Grün und Blau entsprechen. Da sich die Empfindlichkeitsbereiche der drei Arten von Zellen überlappen, können wir beispielsweise die Wellenlänge gelben Lichts daran erkennen, dass sowohl die rot- wie die grünempfindlichen Zellen darauf ansprechen, und am Verhältnis der Signale beider Zellen können wir unterscheiden, ob es sich eher um ein Grüngelb oder ein Gelborange handelt. Eine Mischung aus rein rotem und rein grünem Licht hätte allerdings dieselbe Wirkung, obwohl die Wellenlänge gelben Lichts darin gar nicht vorkommt. Es gibt unendlich viele Mischungen von Licht verschiedener Wellenlängen, das den genau gleichen Sinneseindruck erzeugt, und daher ist eine solche metamerische Farbwahrnehmung sehr unzuverlässig, wenn es um die Bestimmung von Wellenlängen geht. Übertragen von der Optik auf die Akustik wäre es so, als könnten wir keine unterschiedlichen Töne hören und damit keine Melodien mehr erkennen, sondern nur noch unterscheiden, wie sich die Frequenzen der Musikinstrumente auf die Bässe, Höhen und Mitten verteilen.
Dieser Mangel an Präzision hat nun allerdings den Vorteil, dass wir mit ganz einfachen Mitteln den Eindruck einer Vielfalt von Farben erzeugen können: Drei Grundfarben reichen aus, um unseren Augen ein komplettes Farbspektrum vorzugaukeln. Wäre unsere Farbwahrnehmung genauer, dann erforderten Farbfotografie und Farbdruck, aber auch die Malerei einen vielfach höheren Aufwand. Ein Monitor oder ein Display erzeugt beispielsweise nur Licht in den Farben Rot, Grün und Blau, woraus sich für unsere Augen allein durch unterschiedliche Mischungsverhältnisse je zweier Grundfarben alle Zwischentöne ergeben. Unterschiedliche Verhältnisse von Rot und Grün nehmen wir als Orange, Gelb oder Gelbgrün wahr und Mischungen von Grün und Blau als Varianten von Grünblau. Mischt man Rot und Blau, so schließt sich der Farbkreis über Violett und Purpur. Die Schnittstelle bildet Purpur, dem keine Wellenlänge entspricht, denn als Wellenlängen gesehen folgt auf Rot Infrarot und auf Violett Ultraviolett; nur unser grobschlächtiges Farbsehvermögen lässt die längsten und kürzesten Wellenlängen sich in der Farbe Purpur treffen, sodass sich ein Farbkreis bildet.
Die dritte Farbe
Insgesamt sind zwar drei Grundfarben zur Simulation eines vollständigen Farbspektrums nötig, aber um einen beliebigen Farbton anzumischen, genügen je zwei dieser Grundfarben; der Anteil der dritten Farbe bleibt gleich Null. Das Mischungsverhältnis der zwei Grundfarben bestimmt den Farbton und ihre Intensität die Helligkeit der Mischfarbe. Ebenso wie die Spektralfarben können sie heller oder dunkler sein, sind aber stets maximal gesättigt. Offenkundig hängt die Sättigung also davon ab, welchen Anteil die jeweils dritte Grundfarbe hat.
Zur Veranschaulichung des Beitrags der dritten Grundfarbe gehen wir von einer Mischung aus 100 Prozent Rot und 50 Prozent Grün aus, die Orange ergibt. Der Anteil von Blau liegt zunächst bei Null. Wenn wir diesem gesättigten Orange nun schrittweise immer mehr Blau hinzu geben, wird die Mischung nicht etwa blauer – sie behält ihren Orangeton, wird aber heller und blasser. Das ursprünglich kräftige Orange wird verweißlicht; es verliert seine Sättigung. Der Verlust an Sättigung setzt sich fort, bis der Anteil von Blau den Anteil des bislang zweithellsten Grün erreicht, also 50 Prozent. Gibt man noch mehr Blau hinzu, so wird Blau zur zweithellsten Grundfarbe und bestimmt gemeinsam mit dem weiterhin dominierenden Rot den Farbton, den wir jetzt als Violett wahrnehmen. Das schwächere Grün beeinflusst nicht länger den Farbton, sondern die Sättigung. Verallgemeinert kann man sagen, dass stets die beiden hellsten Grundfarben mit ihrem Mischungsverhältnis den Farbton bestimmen und die schwächste Grundfarbe die Sättigung. Die Helligkeit ergibt sich aus der Helligkeit aller drei Grundfarben.
Wie man die Sättigung steuert
Wenn man einer Mischung aus zwei Grundfarben die dritte Farbe hinzufügt, verringert man nicht nur die Sättigung, sondern steigert gleichzeitig die Helligkeit. Um allein die Sättigung zu verändern, muss man den Anteil der beiden dominierenden Grundfarben entsprechend anpassen. Erhöht man den Anteil der dritten Farbe, so muss man die Anteile der beiden helleren Farben zurückfahren, und am Ende erreichen alle drei Grundfarben den gleichen Wert, was ein völlig ungesättigtes Grau ergibt, dessen Helligkeit aber der der ursprünglichen gesättigten Farbe entspricht. Will man umgekehrt die Sättigung vergrößern, indem man den Anteil der schwächsten Grundfarbe verringert, so muss man die beiden helleren Grundfarben zum Ausgleich anheben.
Anders sieht es aus, wenn nicht zwei, sondern nur eine Grundfarbe dominiert und die anderen beiden annähernd gleich hell sind. Beispielsweise wird eine Mischung aus 90 Prozent Rot, 50 Prozent Grün und 45 Prozent Blau als Rosa, also als blasses Rot wahrgenommen. Würde man zur Steigerung der Sättigung den Anteil von Blau verringern und zum Ausgleich neben mehr Rot auch mehr Grün hinzufügen, so bekäme der Farbton einen Orangestich. In solchen Fällen muss man den Anteil der zweithellsten Farbe verringern, statt ihn heraufzusetzen. Man kann sich dies anschaulich so vorstellen, dass man ein Gummiband über der Tonwertskala aufspannt, auf dem man die Werte für Rot, Grün und Blau markiert. Zieht man nun das Gummiband an den Punkten der hellsten und der dunkelsten Grundfarbe auseinander, um die Sättigung zu erhöhen und gleichzeitig den Helligkeitsverlust auszugleichen, dann bewegt sich die Markierung der zweithellsten Farbe nach oben oder nach unten, je nachdem, ob sie näher bei der hellsten oder der dunkelsten Grundfarbe liegt.
Wie viel Sättigung ist genug?
In der Natur sind stark gesättigte Farben eher die Ausnahme denn die Regel. Viele natürliche Farbstoffe werfen Licht in den Wellenlängenbändern aller drei Grundfarben zurück, und selbst wenn das reflektierte Licht gesättigt ist, dämpfen der atmosphärische Dunst, Gegenlicht oder Streulicht die Farben. Ginge es allein um eine naturgetreue Farbwiedergabe, dann dürften die Bilder also nicht zu gesättigt sein. Dass sich Fotografen dennoch oft gesättigtere Bilder wünschen, hat mehrere Gründe. Unser Gehirn berücksichtigt den Wirkung von Faktoren wie dem Dunst, der ferne Motive blass erscheinen lässt, weshalb wir deren Farben so zu sehen meinen, wie sie unter idealen Bedingungen erscheinen würden – vorausgesetzt natürlich, dass wir die eigentliche Farbe kennen. Außerdem ist unser Gedächtnis für feine Farbabstufungen nicht sehr verlässlich, und so „erinnern“ wir uns oft nicht an die tatsächlich gesehene Farbe, sondern an ein prototypisches Blattgrün, einen idealen blauen Himmel oder einen standardisierten Hautton. Die sogenannten „memory colors“ sind mit Ausnahme der Hautfarbe stark gesättigt, und so empfinden wir die Farbwiedergabe weniger gesättigter Bilder als unbefriedigend, auch wenn sie noch so naturgetreu ist.
Insbesondere die kompakten Digitalkameras verstärken daher meist die Sättigung, um subjektiv bessere Bilder mit schöneren Farben zu erzeugen. Dieser Trick wird von manchen Herstellern auch genutzt, um eine objektiv unzureichende Bildqualität zu schönen, während gerade qualitativ hochwertige Kameras oft eine naturgetreuere und daher weniger gesättigte Farbwiedergabe zeigen. In der direkten Gegenüberstellung kann dann die Kamera mit der schlechteren Bildqualität die zumindest auf den ersten Blick schöneren Bilder erzeugen.
Die Tonwertkorrektur des etwas flauen Originals (links) reicht schon aus, den Grauschleier zu entfernen (rechts)
Auch wenn man Übertreibungen vermeiden sollte, spricht in der Regel nichts dagegen, eine etwas stärkere als originalgetreue Farbsättigung anzustreben, denn subjektiv erscheinen solche leicht übersättigten Bilder natürlicher. Dazu genügt meist schon eine Tonwertkorrektur, bei der man die Schwarz- und Weißpunkte im Bild setzt, oder eine leichte Kontrasterhöhung durch Verbiegen der Gradationskurve. Eine Kontraststeigerung aller drei Farbkanäle zieht auch die Werte in den jeweils hellsten und dunkelsten Farbkomponenten eines Pixels auseinander und verstärkt also gleichzeitig die Farbsättigung. Um den Kontrast zu verändern, ohne gleichzeitig die Farbsättigung zu beeinflussen, müsste man das Bild in ein Farbmodell wie Lab umrechnen, in dem es einen reinen Luminanzkanal gibt, um dann den Kontrast allein dieses Kanals zu bearbeiten.
Gegenüber dem Ausgangsbild (links) übertreibt der Sättigungsregler in der maximalen Position die Sättigung der Hauttöne (Mitte), während der Dynamikregler dies vermeidet (rechts).
Die Regler für die Farbsättigung, die es in Bildbearbeitungsprogrammen und Raw-Konvertern gibt, sollte man nur sehr behutsam nutzen, um die Sättigung zu erhöhen. Eines der Probleme, die eine allgemeine Erhöhung der Sättigung mit sich bringt, ist deren Wirkung auf Hauttöne: Während manche Motive von einer höheren Sättigung profitieren, wirkt eine gesättigtere Gesichtsfarbe unnatürlich rot, so als hätten die Menschen einen Sonnenbrand. Adobe Lightroom beispielsweise bietet neben dem Sättigungsregler einen Regler für die sogenannte Dynamik an, der die Farbsättigung dort erhöht, wo sie gering ist, bereits stark gesättigte Farben aber nicht übertreibt. Dieser Regler ist dem Sättigungsregler fast immer vorzuziehen, speziell wenn es um Hauttöne geht. Außerdem kann man die Sättigung selektiv für bestimmte Farbtöne heraufsetzen, also beispielsweise für ein kräftigeres Himmelblau sorgen, ohne die Wiedergabe der übrigen Farben zu verfälschen.
Ein weiterer Nachteil einer allgemeinen Erhöhung der Sättigung ist, dass sie zum Verlust an Tonwerten führen kann. Wenn man den Anteil der schwächsten Grundfarbe verringert, um die Sättigung zu erhöhen, muss man die hellste Grundfarbe dafür weiter aufhellen, um die Gesamthelligkeit zu bewahren. Wenn diese Grundfarbe aber bereits sehr hell ist, müsste sie auf mehr als 100 Prozent angehoben werden, und das Ergebnis wäre eine Überbelichtung in diesem Farbkanal (siehe Warum ist der Himmel türkis?), die ursprünglich noch unterschiedene Tonwerte auf einheitliche 100 Prozent nivellierte. Die Farben verschieben sich; nicht nur Unterschiede in der Helligkeit, sondern auch Farbdifferenzierungen gehen verloren. Wenn man die Sättigung heraufsetzt, sollte man daher stets das RGB-Histogramm, also die Tonwertverteilung in allen drei Farbkanälen im Auge behalten, um den Effekt nicht zu übertreiben.