Ändert sich die Schärfentiefe, wenn man ein Objektiv an einer Kamera mit kleinerem Sensor verwendet?

Eine Olympus E-PL1 mit einem Leica Summarit-M 2,5/50 mm, verbunden durch einen MFT/LEM-Adapterring von Novoflex

Früher war auf den meisten Objektiven eine Skala eingraviert, die mit einem Paar von Strichen für jeden Blendenwert anzeigte, wie weit sich die Schärfentiefe erstreckte. Heutzutage findet man solche Schärfentiefenskalen seltener, aber Leica beispielsweise hat sie beibehalten. Was passiert nun aber, wenn man für eine Kleinbildkamera gerechnete Objektive an einer Kamera mit kleinerem Sensor verwendet, sei es (Micro) FourThirds, APS-C oder das APS-H-Format der Leica M8? Gilt die Schärfentiefenskala dann noch – schließlich ändert sich rein optisch ja nichts –, oder muss man sie an die Sensorgröße anpassen und weiter ab- oder aufblenden, als die Skalenwerte nahelegen?

Die eingravierte Schärfentiefenskala eines Leica Summarit-M 2,5/90 mm

In der Tat ändert der kleinere Sensor nichts an dem vom Objektiv erzeugten Bild, und man könnte daher meinen, dass die Schärfentiefe ebenfalls unverändert bliebe und man der eingravierten Skala trauen könnte. Dabei übersieht man aber den entscheidenden Faktor, der allen Berechnungen der Schärfentiefe zugrunde liegt, und zwar den maximal zulässigen Durchmesser des Unschärfekreises. Die Motivdetails vor oder hinter der eingestellten Entfernung werden nicht mehr mit maximaler Schärfe abgebildet; ein Punkt erscheint nicht mehr als Punkt, sondern als Unschärfekreis – je weiter die Entfernung des Motiv von der Entfernungseinstellung abweicht, desto größer ist der Unschärfekreis und desto unschärfer das Bild. Die Grenzen der Schärfentiefe legt man nun so fest, dass man einen maximalen Durchmesser angibt, den der Unschärfekreis nicht überschreiten darf, damit das Bild noch als hinreichend scharf empfunden wird.

In der Anfangszeit der Fotografie ging man von 1/1000 der Bilddiagonale als maximal akzeptablem Durchmesser aus. Im vergangenen Jahrhundert galt lange 1/1500 als Richtwert, denn verbesserten Objektive und Filmemulsionen machten höhere Auflösungen möglich und die Anforderungen der Fotografen an die Schärfe stiegen entsprechend. Beim Kleinbildformat entsprechen 1/1500 der Bilddiagonale rund 29 µm, und eingravierte Schärfentiefenskalen beruhen durchweg auf Berechnungen, denen dieser Wert zugrunde liegt. Dies entspricht nun zwar kaum noch den erneut gestiegenen Maßstäben, die heute an die Bildschärfe angelegt werden, und man kann dafür argumentieren, dass nur noch 1/3000 oder ein noch kleinerer Bruchteil der Bilddiagonale akzeptabel wären. Wenn Digitalbilder pixelscharf sein sollen, empfiehlt es sich, das Maß des Pixelrasters mit 1,4 zu multiplizieren und das Ergebnis als Unschärfekreisdurchmesser zu setzen.

Wie immer man aber den maximal akzeptablen Unschärfekreisdurchmesser festlegt – in jedem Fall ist er ein Bruchteil des Bilddiagonale und hängt daher von der Größe des Sensors ab. Der Sensor einer Micro-FourThirds-Kamera hat eine Diagonale von 21,6 mm und 1/1500 davon wären nur noch rund 14,4 µm. Setzt man diesen Wert in die Formel zur Berechnung der Schärfentiefe ein, so ergibt sich aus der höheren Anforderung an die Schärfe – verglichen mit der Kleinbildfotografie – eine geringere Schärfentiefe: Man muss um zwei Blendenstufen weiter abblenden, um ein Bild mit der Schärfentiefe einer Kleinbildkamera zu erhalten.

Auf einem kleineren Sensor erzeugt das Objektiv zwar kein anderes Bild als auf einem großen; nur der Ausschnitt ist kleiner. Die Bilder des kleineren Sensors müssen aber stärker vergrößert werden, um auf dieselbe Größe wie die Bilder größeren Sensors zu kommen, und diese zusätzliche Vergrößerung vergrößert auch die Unschärfe. Auch so lässt sich plausibel machen, weshalb die Schärfentiefenskala an die Sensorgröße angepasst werden muss – vom Kleinbildformat ausgehend muss man bei Verwendung eines APS-C-Sensors etwas mehr als eine Stufe abblenden; Micro-FourThirds erfordert, wie gesagt, eine Abblendung um zwei Stufen.

Und trotzdem: Steht das nicht im Widerspruch zu der Erfahrungstatsache, dass Kameras mit kleinerem Sensor generell Bilder mit größerer Schärfentiefe erzeugen? Tatsächlich ist beides richtig, denn es kommt darauf an, was man vergleicht. Wenn man ein und dasselbe Objektiv an einer Kleinbildkamera und einem Kameramodell mit kleinerem Sensor verwendet, ändert sich zwar optisch nichts. Die Anforderungen an die Schärfe steigen jedoch, weil mit dem Sensorformat auch der maximal akzeptable Unschärfekreis schrumpft, und ebenso schrumpft die Schärfentiefe.

Mit dem kleineren Sensor ändert sich aber noch etwas anderes, und das ist der Bildwinkel. Da der Sensor nur einen kleineren Ausschnitt erfasst, verkleinert sich der Bildwinkel, und ein Objektiv mit einer Brennweite von beispielsweise 50 mm erzeugt an einer Micro-FourThirds-Kamera ein Bild, das dem eines 100-mm-Objektivs an einer Kleinbildkamera entspricht. Wegen dieser scheinbaren Brennweitenverlängerung vergleichen wir normalerweise nicht Kameras mit unterschiedlich großen Sensoren und gleicher Brennweite des Objektivs, denn der Bildausschnitt wäre dann ja ein ganz anderer. Vielmehr vergleichen wir Kombinationen von Kamera und Objektiv, bei denen die Brennweite an die Sensorgröße angepasst ist. Eine Kleinbildkamera mit 50-mm-Normalobjektiv vergleichen wir mit einer Micro-FourThirds-Kamera mit 25-mm-Objektiv, und wenn wir noch eine Kompakt- oder Smartphone-Kamera mit einbeziehen wollten, müssten wir als Brennweite vielleicht rund 7 mm (passend zu einem 1/2,3-Zoll-Sensor) wählen, wenn diese den gleichen Bildausschnitt abbilden sollte.

Bei einem solchen Vergleich ändert sich mit der Sensorgröße nicht nur der noch akzeptable Unschärfekreis, sondern auch die Brennweite. Der kleinere akzeptable Unschärfekreis eines kleineren Sensors trägt dazu bei, die Schärfentiefe zu verringern, während die proportional verkürzte Brennweite die Brennweite vergrößert. Diese gegensinnigen Einflüsse heben sich nicht gegenseitig auf: Die Brennweite geht doppelt in die Berechnung der Schärfentiefe ein, der Unschärfekreis aber nur einfach, und so überwiegt der Einfluss der Brennweite – die Schärfentiefe wächst. Wie sich diese Faktoren auswirken, kann man auch mit meinem Schärfentiefenrechner ausprobieren.