Was ist eine „kleinbildäquivalente Brennweite“?
Die mehrlinsigen Objektivkonstruktionen digitaler wie konventioneller Kameras wirken insgesamt als Sammellinsen, die parallel einfallende Lichtstrahlen in einem Punkt, dem Brennpunkt (lateinisch „Fokus“) bündeln. Die Strahlen des direkten Sonnenlichts sind parallel, und wenn man dieses Licht mit einer Sammellinse bündelt, kann man mit einem dahinter gehaltenen Blatt Papier leicht den Brennpunkt finden – und versteht dann auch, weshalb er Brennpunkt oder Fokus (lateinisch für „Herd“) heißt.
Der Abstand zwischen der Linse und dem Brennpunkt ist die Brennweite (abgekürzt „f“), und bei einfachen Linsen ist dies ein fester Wert; mehrlinsige Zoomobjektive haben eine variable Brennweite, die sich durch eine Verschiebung der Abstände einzelner Linsengruppen verändern lässt.
Sammellinsen erzeugen ein Bild der vor der Linse liegenden Objekte, das man mit einem Bildsensor oder einem Silberhalogenidfilm festhalten kann. Da dieses Bild stets hinter dem Brennpunkt des Objektivs entsteht, beeinflusst die Brennweite auch die Baulänge von Objektiv und Kamera. Je weiter das Motiv entfernt ist, desto näher rückt das Bild an den Brennpunkt; Bilder von Motiven im Nahbereich sind dagegen weit vom Brennpunkt entfernt. Zur Scharfeinstellung muss man den Abstand zwischen Linse(n) und Bildwandler an die Entfernung zum Motiv anpassen. Die Bezeichnung „Fokussierung“ hierfür ist insofern irreführend, als es sich nicht um eine Einstellung auf den Brennpunkt handelt, der immer an derselben Stelle liegt. Vielmehr sollen die Strahlen, die von einem Punkt des scharf abzubildenden Motivs ausgehen, am selben Punkt auf dem Sensor zusammentreffen, und wenn das Motiv nicht sehr weit entfernt ist, liegt dieser Punkt hinter dem Brennpunkt.
Von der Brennweite des Objektivs hängt es ab, wie groß ein Objekt abgebildet wird und wie groß der Bildwinkel ist, den die Kamera erfasst: Je länger die Brennweite, desto größer ist die Abbildung des Motivs und desto kleiner ist der Bildwinkel. Vergrößerung und Bildwinkel hängen aber nicht nur von der Objektivbrennweite allein ab, sondern ebenso und in gleichem Maße von der Sensorgröße. Ein formatfüllend auf einen kleinen Sensor projiziertes Motiv würde einen doppelt so großen Bildwandler nur noch zur Hälfte füllen; dafür würde der größere Sensor auch Lichtstrahlen aus einem größeren Bildwinkel registrieren.
Ob ein Objektiv als Teleobjektiv entfernte Motive vergrößert oder als Weitwinkelobjektiv ein großes Gesichtsfeld erfasst, lässt sich also nur entscheiden, wenn man die dazugehörige Kamera und ihren Sensor beziehungsweise ihr Filmformat kennt. Es hat sich in der Praxis bewährt, die Diagonale des Sensors oder Filmbilds als Normalbrennweite anzusehen. Das 36 mal 24 Millimeter messende Kleinbildformat beispielsweise hat eine Diagonale von rund 43 Millimetern; traditionell rundet man diesen Wert auf handlichere 50 Millimeter auf. Objektive mit größerer Brennweite gelten als Tele-, solche mit kleinerer Brennweite als Weitwinkelobjektive. Für den Hasselblad-Fotografen (Format 60 mal 60 Millimeter) wären 85 Millimeter eine Normalbrennweite, für den Besitzer einer Mamiya 645 (60 mal 45 Millimeter) hingegen 75 Millimeter; für eine APS-Kamera (30,2 mal 16,7 Millimeter) müsste ein Normalobjektiv eine Brennweite von rund 35 Millimetern haben. Das Normalobjektiv einer Kleinbildkamera wäre also an einer APS-Kamera ein leichtes Tele, an einer Hasselblad aber ein Weitwinkelobjektiv. (Es hat sich eingebürgert, alle Objektive mit einer längeren Brennweite als der Normalbrennweite „Teleobjektive“ zu nennen, aber das ist nicht ganz korrekt. „Teleobjektiv“ bezeichnet eine besondere Bauform, und nicht alle Objektive mit langer Brennweite sind in diesem Sinne tatsächlich Teleobjektive.)
Kleinbild- und Mittelformatfotografen sind diese Zusammenhänge vertraut und sie können einschätzen, welche Bildwirkung sie von einer bestimmten Brennweite zu erwarten haben. Bei digitalen Kompaktkameras mit fest eingebautem Zoomobjektiv ist das hingegen nicht so einfach. Anders als bei den Kleinbild- oder APS-Kameras sind in dieser Klasse wenigstens acht verschiedene Sensorgrößen verbreitet, wobei deren effektive Abmessungen meist unbekannt sind – Angaben wie „1/1,8 Zoll“ oder „2/3 Zoll“ sind historisch motiviert und stehen in einem allenfalls losen Zusammenhang mit der tatsächlichen Sensordiagonale (siehe „Wie groß ist ein Sensor wirklich?“). Selbst wenn man diese herausgefunden hat, ist es immer noch mühsam, die Zoomobjektive verschiedener Kameras mit unterschiedlich großem Sensor zu vergleichen.
Die Kamerahersteller sind deshalb dazu übergegangen, neben der tatsächlichen Brennweite auch noch eine auf das Kleinbildformat umgerechnete Brennweite anzugeben. Dies ist die Brennweite, die ein Objektiv einer Kleinbildkamera haben müsste, um denselben Bildwinkel zu erfassen. Aufgrund der großen Verbreitung des Kleinbildformats wird den meisten ohne weiteres Nachrechnen klar sein, dass eine kleinbildäquivalente Maximalbrennweite von 200 Millimetern eine vierfache Vergrößerung ermöglicht, während eine kürzeste Brennweite von 35 Millimetern die engen Grenzen eines Zooms im Weitwinkelbereich aufzeigt.
Leider ist es nicht so, als ob das Objektiv einer digitalen Kompaktkamera genau dasselbe Bild wie ein Objektiv mit der entsprechenden kleinbildäquivalenten Brennweite an einer Kleinbildkamera erzeugen würde. Die Vergrößerung oder Verkleinerung sowie der Bildwinkel sind zwar dieselben, aber die Schärfentiefe ist es nicht: Digitale Kompaktkameras haben bei gleicher kleinbildäquivalenter Brennweite und gleicher Blende eine deutlich ausgedehntere Schärfezone, weil ihre tatsächliche Brennweite sehr viel kürzer ist. Daher muss man auch die Blendenzahl umrechnen, nämlich mit dem Umrechnungsfaktor multiplizieren. Einem APS-C-Objektiv mit der Brennweite 33 mm und der Lichtstärke f/1,2 entspricht daher ein Kleinbildobjektiv mit 50 mm (33 mm × 1,5) und f/1,8 (1,2 × 1,5). Beide Objektive bilden dann auf dem jeweiligen Sensorformat denselben Bildwinkel mit derselben Schärfentiefe ab.