Eignen sich handelsübliche Digitalkameras für die Infrarot-Fotografie?

Mit „Infrarotfotografie“ sind hier Aufnahmen im nahen Infrarot gemeint, für die man früher IR-Schwarzweißfilme oder Falschfarbenfilme (bei denen eine der drei Emulsionsschichten für Infrarot sensibilisiert ist) benutzt hat, keine Wärmebildaufnahmen. Als nahes Infrarot – „nahe“, weil seine Wellenlängen direkt an das Spektrum des sichtbaren Lichts anschließen – bezeichnet man die Wellenlängen zwischen 780 und 3000 Nanometern, wobei fotografisch nur der Bereich bis 1000 Nanometer relevant ist. Für die Thermografie, also Aufnahmen der noch langwelligeren Wärmestrahlung (3 bis 50 Mikrometer) sind spezielle Sensoren nötig; weder Infrarotfilme noch gängige Digitalkamera-Sensoren auf Siliziumbasis können sie registrieren.

Eine digitale Infrarot-Aufnahme mit einer Nikon D70 in den römischen Caracalla-Thermen

Aber auch die in Digitalkameras verbauten Sensoren sind nicht nur für das sichtbare Licht empfindlich. Ihre spektrale Empfindlichkeit erstreckt sich darüber hinaus auf das nahe Infrarot bis 1100 Nanometer sowie in geringerem Maße auf ultraviolettes Licht. Längere Wellenlängen als 1100 Nanometer durchqueren den Siliziumchip unbehindert und werden nicht mehr registriert. Prinzipiell eignen sich Silizium-Sensoren daher auch für Aufnahmen im nahen Infrarot, und tatsächlich liegt sogar ihr Empfindlichkeitsmaximum in diesem Bereich.

In der klassischen Fotografie ist die Empfindlichkeit für IR- und UV-Licht allerdings störend, denn das für uns unsichtbare Licht würde die Farbwiedergabe verfälschen. Deshalb wird den Sensoren ein UV/IR-Sperrfilter vorgesetzt, das die unerwünschten Wellenlängen unterdrückt. Das kann ein Absorptionsfilter sein, das IR- und UV-Licht schluckt, oder auch ein Interferenzfilter, in dem sich die herauszufilternden Wellenlängen durch destruktive Interferenz auslöschen. Die beiden Filtertypen lassen sich auch kombiniert einsetzen.

Absorptionsfilter haben eine relativ flache Kennlinie, während Interferenzfilter steilflankig sind. Ein Absorptionsfilter zur Unterdrückung von Infrarot absorbiert auch einen Teil des roten Lichts, was in diesem Fall erwünscht ist, denn die Sensorchips sind für Rot besonders empfindlich. Im Interesse eines optimalen Rauschverhaltens sollten die Sensoren für Rot, Grün und Blau annähernd gleich empfindlich sein.

Der im sichtbaren Licht schwarze Hoodie (links) wird aufgrund der IR-Kontamination der Farben von der Nikon D70 (Mitte) und der Leica M8 (rechts) violett verfärbt abgebildet. Andere schwarze Objekte, die kein Infrarot reflektieren, sind nicht davon betroffen.

Früher kam es gelegentlich vor, dass die UV/IR-Sperrfilter zu schwach ausgelegt waren. Bei einer Beleuchtung mit hohen Infrarotanteil wie insbesondere Glühlampen wurden dann viele schwarze Textilien aus Kunstfasern violett abgebildet, weil das reflektierte Infrarot vom Sensor als Rot und Blau registriert wurde. Am stärksten zeigte sich dieses Problem bei der Leica M8 aus dem Jahre 2006, aber auch die Nikon D70 von 2004 war dafür anfällig. Heutzutage ist die IR-Kontamination von Digitalbildern jedoch kein Thema mehr.

Ein Infrarotfilter, der Wellenlängen unterhalb von 780 Nanometern sperrt (Foto: Heliopan)

Für die digitale Infrarotfotografie ist die hohe Wirksamkeit der UV/IR-Sperrfilter ein Hindernis: Einerseits muss man ein IR-Filter vor das Objektiv schrauben, um das sichtbare Licht herauszufiltern – empfehlenswert sind Filter, die Wellenlängen oberhalb von 695, 715 oder 780 Nanometern passieren lassen –, andererseits filtert das Sperrfilter vor dem Sensor das Infrarot heraus. Gelangt unter diesen Umständen überhaupt noch genug Licht auf den Sensor?

Wie gut sich die eigene Kamera für die Infrarotfotografie eignet, findet man leicht heraus, wenn man sie auf eine IR-Fernbedienung richtet, während man deren Knöpfe drückt. Sofern die Leuchtdiode der Fernbedienung im elektronischen Sucher oder auf dem Display violett aufleuchtet, hat die Kamera noch eine Restempfindlichkeit für das nahe Infrarot, und je heller sie leuchtet, desto mehr.

Wenn eine Digitalkamera noch für Infrarot empfindlich ist, „sieht“ es ihr Sensor, wenn die IR-Leuchtdiode einer Fernbedienung aufleuchtet.

Selbst im besten Fall wird die verbleibende Empfindlichkeit gering sein, weshalb die Infrarotfotografie lange Belichtungszeiten und/oder sehr hohe ISO-Werte erfordert. Das elektronische Sucherbild einer spiegellosen Kamera ist dann nicht mehr so gut zu beurteilen und im optischen Spiegelreflexsucher sieht man ohnehin gar nichts mehr. Auch der Autofokus tut sich entsprechend schwer. Ein relativ schwaches IR-Filter, das erst bei 695 Nanometern sperrt und auch noch etwas Rot durchlässt, kann die Empfindlichkeit verbessern, allerdings um den Preis eines weniger ausgeprägten IR-Effekts. Ein 715-Nanometer-Filter ist ein empfehlenswerter Kompromiss.

Wer mehr als nur gelegentliche Infrarotaufnahmen plant, kann die Kamera auch für diesen Zweck umbauen. Dazu muss der Sensorstapel zerlegt und das UV/IR-Sperrfilter durch ein IR-Filter ersetzt werden; ein Filter vor jedem Objektiv erübrigt sich dann. Baut man stattdessen ein klares Filter (oder eines, das nur UV-Licht sperrt) ein, bleibt die Kamera universell nutzbar, erfordert aber zwingend ein Objektivfilter: Ein IR-Filter macht es zur Infrarotkamera, während man mit einem UV/IR-Sperrfilter vor dem Objektiv wie gewohnt im Bereich des sichtbaren Lichts fotografieren kann. Beide Umbauten bietet beispielsweise IRreCams an. Übrigens kann man das Sperrfilter im Sensorstapel nicht einfach weglassen, da es wie die Linsen des Objektivs das Licht bricht und ein unverzichtbarer Teil des Strahlengangs bis zum Sensorchip ist.

Eine so umgebaute Kamera ist für das nahe Infrarot ebenso empfindlich wie sie es vorher für das sichtbare Licht war, so dass man damit wie gewohnt arbeiten kann: Sucher und Display zeigen gut erkennbare Bilder, der Autofokus arbeitet wie gewohnt und die Belichtungszeiten bleiben meist kurz.

mjh, 10. September 2025, 11:00 Uhr