JunoCam: Wie man aus Millionen Kilometer Entfernung eine Kamera repariert

mjh, 23. Juli 2025, 20:48 Uhr

Die Kamera der vor 14 Jahren gestarteten Jupiter-Raumsonde Juno funktioniert noch immer, obwohl die Mission der Sonde bald enden soll. Um die Bildqualität trotz widriger Umweltbedingungen hoch zu halten, war allerdings ein vorher nie erprobter Trick nötig.

Digitalkameras sind generell langlebiger, als es ihnen viele zutrauen. Dass eine zehn Jahre alte Kamera noch problemlos anspringt, nachdem man ihren Akku geladen hat, ist durchaus der Normalfall. Wenn man es meist gar nicht erst darauf ankommen lässt, so liegt das vor allem daran, dass mittlerweile noch leistungsfähigere Kameras auf den Markt gekommen sind und das voll funktionsfähige alte Modell schnöde auf den Dachboden oder in den Keller verbannt wurde. Wenn man aber eine Kamera sogar zum fast 800 Millionen Kilometer von der Sonne entfernten Jupiter schicken will, steht die Langlebigkeit ausdrücklich im Pflichtenheft der Konstrukteure, denn schließlich kann man weder Servicetechniker noch Ersatzteile hinterher schicken – und schon gar keine neue, modernere Kamera.

Aufgrund der Gestalt des Magnetfelds Jupiters vermeidet eine polare Umlaufbahn die Bereiche der höchsten Strahlenbelastung, und in einem solchen Orbit hielt sich Juno die meiste Zeit auf. (Illustration: NASA)

Probleme mit den eingebauten Kameras gibt es bei Raumsonden selten bis nie, was auch für die Jupiter-Sonde Juno gilt, die die NASA 2011 ins All gestartet hatte. Schließlich waren bereits fünf Jahre vergangen, als das Raumfahrzeug beim Jupiter ankam und ihre JunoCam ernsthaft nutzen konnte. Nun ist der Jupiter eine für eine Digitalkamera oder überhaupt jedwede Elektronik recht ungemütliche Einsatzumgebung. So weit von der Sonne entfernt ist es nicht nur sehr kalt; gefährlicher noch sind die Strahlungsgürtel, die den Planeten umgeben. Lange hielt sich Juno in einem polaren Orbit auf, das die Zonen der stärksten Strahlung vermied, aber gegen Ende der Mission sollte die Sonde auch einige der Monde Jupiters besuchen, wobei dann keine große Rücksicht auf die Kamera mehr genommen werden konnte. Immerhin steckt diese in einer abschirmenden Titanhülle, und der Sensor ist noch einmal in Kupfer und Wolfram gekapselt. Aber schon weil ihn ja auch noch das Licht erreichen soll, ist ein vollständiger Strahlenschutz nicht möglich. Immerhin: Sieben oder acht Orbits durch den Strahlengürtel traute man der JunoCam mindestens zu, bevor sie vielleicht ausfallen würde.

Schon bei der Wahl der Komponenten wurde auf Robustheit geachtet. Der Sensor ist ein Kodak-Bildwandler KAI-2020; das ist ein mehr als 20 Jahre altes und bewährtes CCD vom Interline-Transfer-Typ, mit dem sich ein elektronischer Verschluss realisieren lässt. Seine Auflösung von 1600 × 1200 Pixeln wirkt nicht beeindruckend, aber das grobe Pixelraster von 7,4 µm erlaubt es, schon mit einer kurzen Belichtungszeit – da sich die Sonde ja bewegt, würde sonst Bewegungsunschärfe entstehen – genug Licht zu sammeln. Der Dynamikumfang soll 11 EV erreichen.

Das Blockschaltbild der JunoCam. Einer der Spannungsregler (unten rechts) war mutmaßlich durch die kosmische Strahlung beschädigt worden. (Quelle: NASA)

Im November 2023 funkte Juno nur noch solche streifigen Bilder zur Erde. (Foto: NASA)

Die JunoCam schlug sich tapfer und lieferte 46 Umläufe lang technisch perfekte Bilder, aber ab dem 47sten Orbit zeigten sich Störungen, die danach immer stärker wurden. Die Ingenieure von Malin Space Science Systems in San Diego, die die JunoCam gebaut hatten, versuchten die Fehlerursache zu finden, und einer der Regler für die Versorgungsspannung der Kameraelektronik erschien als plausibelster Kandidat. Damit war man bloß noch keinen Schritt weiter, denn austauschen konnte man dieses Bauelement ja nicht.

Aber vielleicht ließ sich ja die von der Strahlung angerichtete Unordnung im Siliziumchip wieder richten? Es war ein bisschen so, als würde man einer streikenden Maschine einen Tritt geben, damit sie wieder läuft, aber einen Versuch war es wert: Man drehte die Heizung hoch, die die Kamera auf Betriebstemperatur hielt, und erwärmte die Elektronik für einige Zeit auf 25° C. Das klingt nicht nach viel, lag aber deutlich über der Standardeinstellung des Thermostats. Danach ließ man die Platine langsam wieder abkühlen. Ein solches Verfahren bezeichnet man als „Tempern“. Dabei rüttelt man zunächst alle Atome gut durch; die Temperatur ist ja nichts anderes als die Geschwindigkeit der Atome, und heizt man einen Siliziumkristall auf, beginnen die Atome im Kristallgitter immer stärker zu zittern. Beim Abkühlen beruhigen sie sich wieder und mit etwas Glück ruckeln sie sich dabei an die richtige Stelle. So jedenfalls stellten sich die Ingenieure das vor.

Operation gelungen: Als Juno am Jupiter-Mond Io vorbeiflog, lieferte ihre Kamera wieder rauschfreie Bilder. (Foto: NASA)

Und tatsächlich: Nach dem Tempern der Kamera schickte sie wieder klare, artefaktfreie Bilder. Aber nur bis zum 55sten Orbit, als die Störungen zurückkehrten – Juno tauchte immer tiefer in die Strahlungsgürtel Jupiters ein, so dass mit weiteren Strahlenschäden zu rechnen gewesen war. Eine nachträgliche Bildbearbeitung konnte diese nicht beseitigen, und so musste es eine erneute Wärmebehandlung richten, diesmal mit dem Heizungsthermostaten bis zum Anschlag aufgedreht (auf welche Temperatur verrät die NASA nicht). Zunächst schien das keinen Effekt zu haben, aber als der geplante Vorbeiflug am Jupiter-Mond Io nur noch zwei Tage entfernt war, verschwanden die Artefakte plötzlich und die JunoCam lieferte einwandfreie Bilder von der Nordpolarregion des vulkanisch aktiven Mondes. Mit dem 74sten Orbit sind nun zwar erneut Bildstörungen aufgetreten, aber die Juno-Mission soll ohnehin im September enden; ihre Aufgaben hat die Sonde längst vollumfänglich erfüllt.

Nun fragt man sich natürlich, ob man aus der erfolgreichen Kamerareparatur über hunderte Millionen Kilometer hinweg nicht auch etwas für die irdische Praxis lernen kann. Strahlungsschäden treten bei Kameras zwar nur sehr selten auf, aber das Risiko steigt mit der Entfernung vom Erdboden und bei Vielfliegern unter den Fotografen könnten die hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung ihre Spuren im Sensor oder anderen Chips hinterlassen. Falls Sie also nach einer Flugreise Artefakte an den immer gleichen Stellen Ihrer Aufnahmen entdecken oder sich die Kamera anderweitig seltsam verhält, könnten Sie es ja mal mit der Methode der NASA probieren und sie einer Wärmebehandlung unterziehen. 40° C wären für die Elektronik ungefährlich, und wer weiß: Vielleicht lassen sich die Siliziumkristalle ja auch hier auf der Erde wieder in Form ruckeln, nachdem sie ein Teilchenschauer aus dem All durcheinander gebracht hat.