Spart Wasser – löscht Bilder!?
mjh, 20. August 2025, 10:00 Uhr
Wenn in Zeiten einer Dürre der Grundwasserspiegel sinkt, sollte man Wasser sparen. Aber ist es in diesem Zusammenhang wirklich zielführend, in der Cloud gespeicherte Fotos zu löschen, wie jüngst in Großbritannien empfohlen wurde?
Als Folge des Klimawandels haben wir es weltweit mit immer mehr Extremwetterlagen zu tun, sowohl längere Dürreperioden als auch (zu anderen Zeiten) Überschwemmungen. Die britische National Draught Group, der neben Vertretern der zuständigen Behörden auch solche von Wasserwerken, Landwirten und anderen Gruppen angehören, die auf die Wasserversorgung angewiesen sind, gab nun eine Liste von Empfehlungen heraus, wie die Bürger der aktuellen Wasserknappheit im Vereinigten Königreich begegnen sollten. Die letzten sechs Monate waren dort schließlich das trockenste Halbjahr seit 1976.

Neben üblichen und erwartbaren Ratschlägen wie denen, kürzer zu duschen, Regenwasser in Regentonnen zu sammeln und auf das Sprengen des Rasens zu verzichten, verwunderte ein Punkt ganz am Ende der Liste: Man solle alte Fotos und E-Mails löschen, da die Serverfarmen, in denen sie gespeichert seien, wertvolles Wasser zur Kühlung verwenden müssten.

Ein flüssigkeitsgekühlter Server-Einschub (aus einer IBM-Patentanmeldung)
Kein Zweifel: Sowohl die Server als auch die gesamte Infrastruktur des Internet verbrauchen einen nennenswerten Teil der weltweit produzierten Elektrizität, und diese wird leider nicht nur in Rechenleistung, sondern auch in Abwärme umgewandelt, die irgendwie abgeführt werden muss. Beim heimischen PC genügt dazu – Hardcore-Gamer einmal ausgenommen – ein Lüfter, der die Luft noch wärmer macht als sie im Hochsommer ohnehin schon ist, aber größere Rechenzentren und Serverfarmen benötigen eine Wasserkühlung und damit eine Frischwasserzufuhr. Schon ein Rechenzentrum moderater Größe mit einem Stromverbrauch von einem Megawatt benötigt 26 Millionen Liter Kühlwasser pro Jahr.
Der Zusammenhang zwischen der Nutzung von Computern und dem Wasserverbrauch ist also durchaus real. Aber sind gespeicherte Bilder, E-Mails und andere Daten hier wirklich ein Faktor, und würde es in Dürreperioden beispielsweise der notleidenden Landwirtschaft helfen, wenn man nicht mehr unbedingt nötige Daten löschte? (Übrigens ist es nicht nur die Landwirtschaft, die auf Wasser angewiesen ist: Im letzten Sommer mussten die französischen Atomkraftwerke wochenlang abgeschaltet werden, weil es aufgrund des sinkenden Wasserstands der Flüsse an Kühlwasser fehlte.)

Manche Tipps sind befolgenswert, beispielsweise Regenwasser in einem Fass aufzufangen.
Computer benötigen vorwiegend dann viel Strom und erzeugen daraus Abwärme, wenn sie mit den Daten irgendwelche Berechnungen ausführen. Es sind die Umschaltvorgänge zwischen 0 und 1, die für den Energieverbrauch maßgeblich sind, nicht die Speicherung der Bits selbst. Ob dazu nun Punkte auf einer rotierenden Festplatte magnetisiert oder elektrische Ladungen zwischen isolierenden Schichten in einer SSD eingeschlossen wurden, bleiben die Daten auch ohne Energiezufuhr jahrelang gespeichert. Nur die Inhalte im RAM eines Computers müssen regelmäßig aufgefrischt werden, aber dieser flüchtige Arbeitsspeicher dient ja auch nicht dazu, Daten langfristig zu sichern. In das RAM werden Bilder nur geladen, wenn man irgendetwas mit ihnen machen will – und sei es nur, sie sich anzuschauen.

Mit dem gesammelten Regenwasser bewässere ich meine Tomatenpflanzen.
Auch wenn man gerade nicht auf eine Festplatte oder SSD zugreift, wird der Server, in dem sie verbaut sind, zwar mit Strom versorgt, aber der Verbrauch im Ruhezustand ist gering. Eine Festplatte, auf die länger nicht zugegriffen wurde, kann man herunterfahren, so dass auch ihr Motor keinen Strom mehr zieht. Ginge man ernsthaft daran, gespeicherte Bilder daraufhin zu sichten, welche von ihnen verzichtbar wären, würde man gerade damit vielfach mehr Strom und in der Folge auch Kühlwasser verbrauchen, als wenn man sie einfach in Ruhe gelassen hätte.
Nun sind auf einem Server normalerweise die Daten vieler Kunden gespeichert, und wenn gerade nicht auf die Daten des einen Kunden zugegriffen wird, dann vermutlich auf die irgendeines anderen. Der Server kann daher nur selten in den Ruhezustand gehen. Aber eben deshalb sparen individuelle Löschaktionen keine Energie und daher auch kein Wasser. Würden alle Bürger der Empfehlung folgen und überflüssige Daten löschen, könnten die verbleibenden Daten irgendwann auf einer geringeren Zahl von Servermodulen zusammengefasst werden, und danach ließen sich Teile einer Serverfarm abschalten. Das würde tatsächlich Energie sparen, wenn auch nicht sehr viel, und diese Ersparnis wäre, wie erwähnt, zunächst mit einem steigenden Energie- und Wasserverbrauch zur Sichtung der Daten erkauft. Diese Wirkung würde auch erst nach Monaten oder Jahren eintreten und nichts gegen einen aktuellen Wassermangel ausrichten. Ganz zu schweigen davon, dass die Briten, genauso wie wir Kontinentaleuropäer, ihre Daten vielfach auf Servern in den USA gespeichert haben. Kühlwasser einzusparen nutzte dann nur den USA und wäre im weltweiten Maßstab zwar immer noch eine gute Sache, hilft aber keinem britischen Landwirt, dessen Ernte akut bedroht ist.
Wer wirklich etwas gegen die Erzeugung von Abwärme und den Wasserverbrauch zur Kühlung heißlaufender Server unternehmen will, sollte die Cloud mal Cloud sein lassen und stattdessen den Sommer genießen – und die Wasserkühlung im Freibad, so lange das Becken noch befüllt wird.