Zoom – ein Begriff verliert seine Bedeutung
mjh, 8. Oktober 2025, 14:58 Uhr
Es hat Zoom gemacht – was der lautmalerische Begriff ausdrückte, schien in meiner Jugend noch klar zu sein, aber was heutzutage so genannt wird, hat damit immer weniger zu tun. Es ist an der Zeit, die Bedeutungsverschiebung des Zoom-Begriffs über mehr als 50 Jahre nachzuverfolgen.

Wie Apple für das iPhone 17 Pro wirbt … (ich habe mich für die dezentere silberne Variante entschieden)
Den Anlass für diesen Beitrag gab mir Apple mit dem iPhone 17 Pro – meinem neuen Smartphone, das seit ein paar Tagen mein altersschwaches iPhone 12 Pro ersetzt hat. Ein feines Gerät, aber wie skrupellos Apple in der Werbung dafür mit dem Begriff des Zooms operiert, gab mir zu denken, zumal andere Smartphone-Hersteller dasselbe tun.
Die gute alte Zeit
In meiner Jugend in den 70er Jahren war ein Zoom ein Objektiv mit variabler Brennweite. Aber nur, wenn dieses parfokal war, seinen Fokus also nicht veränderte, wenn man am Zoomring drehte oder – sofern es eine Schiebezoom war – schob. Andernfalls war es bloß ein Variofokus-Objektiv. Ein parfokales Objektiv war sehr praktisch, wenn man präzise scharfstellen wollte: Man zoomte auf die längste Brennweite und damit die maximale Vergrößerung des Motivs, fokussierte, und ging für die Aufnahme auf die eigentlich gewünschte Brennweite zurück. Mit dem Siegeszug des Autofokus spielte das aber eine immer geringere Rolle, und irgendwann fragte kaum noch jemand danach, ob ein Objektiv mit veränderbarer Brennweite denn auch parfokal sei – heutzutage wissen viele Fotografen gar nicht mehr, was das überhaupt ist. So galt dann bald jedes Objektiv als Zoom, sofern seine Brennweite variabel war.
Obwohl: Ganz so einfach war es nie. Sofern man ein Objektiv mit fester Brennweite durch Auszugsverlängerung scharfstellt, beim Fokussieren also alle Linsen im Ganzen verschiebt, ist die Sache noch klar – es ist offensichtlich kein Zoom. Viele Festbrennweiten verwenden allerdings eine Innenfokussierung, bei der sich nur (mindestens) eine Linsengruppe verschiebt, und dabei ändert sich nicht selten auch die Brennweite des Objektivs. Wir haben es also mit einer Festbrennweite mit veränderlicher Brennweite zu tun – ein Widerspruch in sich, aber gleichwohl populär. Von einem Zoom würde man dennoch nicht sprechen, denn schließlich gibt es keinen Zoomring. Die Brennweite lässt sich nicht beliebig verändern, sondern nur als Nebenwirkung der Fokussierung. (Das gilt übrigens auch für das menschliche Auge, das allein durch eine Brennweitenveränderung seiner Linse scharfstellt, aber die typischen Eigenschaften eines Zooms vermissen lässt.)
Digitalfotografie
Die ersten Digitalkameras hatten nicht nur stets zu wenig Megapixel, sondern meist auch einen sehr begrenzten Brennweitenbereich. Die Hersteller halfen dem Mangel ab, indem sie mit einem „Digitalzoom“ warben: Wenn das Objektiv seine längste Brennweite erreicht hatte, begann die Kamera, immer kleinere Ausschnitte des vom Sensor erzeugten Bildes auf die nominelle Pixelzahl hochzuskalieren. Auf dem Display sah das zunächst so aus, als könne man deutlich weiter zoomen. Bei genauerer Betrachtung der Aufnahmen wurde dann aber schnell klar, dass ein Digitalzoom nur immer gröbere Pixelstrukturen statt einer echten Vergrößerung des Bildes produzierte. Nachdem die Kunden die Mogelei durchschaut hatten, verschwand das Feature des Digitalzooms zwar nicht, wurde aber auch nicht mehr offensiv beworben. Nur ein optisches Zoom galt noch als echtes Zoom, und dessen digitale Nachahmung nahm niemand mehr ernst.

Zoom, optisches Zoom oder Zoom in optischer Qualität – in der Smartphone-Werbung wird es immer unklarer, was „Zoom“ bedeuten soll. (Abbildung: Apple)
Smartphone-Fotografie
Auch bei den Kameramodulen aktueller Smartphones wird von Zooms gesprochen, nur dass es da gar keine Brennweitenveränderung gibt. Die einzelnen Module haben Objektive unterschiedlicher fester Brennweite, schon weil die immer flacheren Gehäuse nicht genug Platz für echte Zooms bieten. Sie werden trotzdem als „optische Zooms“ beworben, obwohl es doch nur die altbekannte Mogelpackung eines Digitalzooms gibt – oder? Es ist tatsächlich etwas komplizierter.
Das iPhone 17 Pro beispielsweise enthält drei Kameras mit kleinbildäquivalenten Brennweiten von 13, 24 beziehungsweise 100 Millimetern – die realen Brennweiten von Smartphone-Kameras werden von keinem Hersteller mehr angegeben, ebensowenig wie die Größen der darin verbauten Sensoren. In der Kamera-App kann man scheinbar stufenlos zwischen 13 und 100 Millimeter zoomen, und Fotos mit Brennweiten zwischen den drei festen Werten entstehen, indem das iPhone die Bilder der nächstkleineren und der nächstgrößeren Brennweite miteinander verrechnet. Zumindest in der Bildmitte muss dabei nicht hochskaliert werden, und so sind die aufgezeichneten Bilddetails überwiegend real und nicht dazuerfunden. Deshalb sprechen die Hersteller von einem „optischen Zoom“, so lange die simulierte Brennweite nicht die längste (kleinbildäquivalente) Brennweite der Kameramodule überschreitet, im Fall des iPhone 17 Pro also 100 Millimeter.
Allerdings geht der angebotene Zoombereich noch darüber hinaus, und Apple verspricht sogar (wiederum kleinbildäquivalente) 200 Millimeter als „Zoom optischer Qualität“. Das ist dann aber wirklich nur noch ein Digitalzoom? Ja und nein … Der Sensor der Telekamera hat eine Auflösung von 48 Megapixeln, so dass die damit aufgenommenen Bilder 8064 × 6048 Pixel enthalten. Zoomt man nun auf Werte zwischen 100 und 200 Millimetern, verwendet das iPhone nur noch einen Ausschnitt des Sensorbildes, genauso wie es ein klassisches Digitalzoom täte, skaliert ihn aber nicht herauf. Bei 200 Millimetern werden daher nur noch 12 Megapixel gespeichert, und das sind reelle, aus 12 Millionen Sensorpixeln berechnete Bildpixel. Das soll die Bezeichnung „optische Qualität“ rechtfertigen, denn schließlich ist es ein Bild, wie es das Objektiv erzeugt und der Sensor digitalisiert hat, ohne dass Pixel hinzuerfunden worden wären.
Wohlgemerkt: Die so erzielten Bildergebnisse sind alles andere als schlecht, und dem Fotografen bringt das iPhone 17 Pro auch merkliche Vorteile gegenüber dem Vorgängermodell 16 Pro, dessen Tele- und Weitwinkelkameras noch eine geringere Auflösung hatten. Beim neuen Modell haben alle Sensoren 48 Megapixel; nur ihre Größe unterscheidet sich. Der Sensor der Hauptkamera misst 9,8 mm × 7,4 mm, während die beiden anderen Sensoren mit 5,6 mm × 4,2 mm gut halb so groß sind. Die kleinbildäquivalente Brennweite der Hauptkamera (24 mm) muss man daher durch 3,5 teilen, die der Tele- (100 mm) und der Weitwinkelkamera (13 mm) durch 6,1, um die realen Brennweiten zu ermitteln.
Durch die Smartphone-Werbung, nicht nur die von Apple, hat der Begriff des Zooms allerdings seine ursprüngliche Trennschärfe verloren. Wenn Objektive mit unbezweifelbar festen Brennweiten als „Zooms“ tituliert werden, gar als „optische Zooms“ oder „Zooms optischer Qualität“, sagt der Begriff nichts mehr über die tatsächlich verwendete Objektivkonstruktion aus; dabei war er ja einst genau dafür eingeführt worden. Vielleicht sollte man sich künftig auf die ehrlichere Aussage beschränken, dass die Smartphones Fotos mit variablem Bildwinkel aufnehmen können.
Und dann war da noch der Makromodus …
Christoph Künne frage mich jüngst, warum es eigentlich immer die Weitwinkelkamera sei, die – nicht nur bei Apples iPhone – einen Makromodus bekäme. Wegen der kurzen Brennweite muss man für formatfüllende Fotos kleiner Dinge immer sehr nah an die Motive heran; da wirft das Smartphone schon mal einen Schatten, die Perspektive ist eher unvorteilhaft, und wenn das Motiv lebendig ist, macht es sich aus dem Staub, bevor man den Auslöser antippen kann. Das ließe sich vermeiden, wenn die Hauptkamera mit ihrer mittleren Brennweite oder gar die Telekamera einen Makromodus hätte. Gibt es einen guten Grund, weshalb sich Smartphone-Hersteller auf das Weitwinkel-Makro festgelegt haben? Tatsächlich gibt es sogar deren drei.

Die Pixel auf dem iMac-Bildschirm – für die Weitwinkelkamera des iPhone kein Problem.
Das Haupthindernis, mit dem die Entwickler von Kameramodulen für Smartphones zu kämpfen haben, ist der beschränkte Platz. Eine Systemkamera mit Makro-Objektiv darf eine Tiefe von 10, 15 oder 20 Zentimetern haben, aber in einem Smartphone ist nur ein Bruchteil dieser Baulänge verfügbar. Nun hängt die Länge eines Kameramoduls von der Bildweite ab, also in welcher Entfernung hinter dem Objektiv ein scharfes Bild entsteht; dort muss sich ja der Sensor befinden. Die Bildweite ist um so größer, je näher man dem Motiv kommt, und daher begrenzt die maximale Bautiefe auch die erreichbare Naheinstellgrenze.
Man kann sich die Anforderungen präzise ausrechnen: Für einen Abbildungsmaßstab von 1:1, bei dem das Bild auf dem Sensor so groß wie das abgebildete Motiv ist, muss die Bildweite gleich der doppelten Brennweite sein. Beschränkt man sich auf 1:2, ist immer noch das Anderthalbfache der Brennweite nötig. In jedem Fall ist die Bildweite größer als die Brennweite, denn wenn sie gleich der Brennweite wäre, hätten wir bereits auf Unendlich fokussiert. Die maximale Bildweite bei der Naheinstellgrenze hängt also von der Brennweite ab, und je größer der Abbildungsmaßstab sein soll, desto länger muss das Kameramodul werden. Will man bei einer streng limitierten Bautiefe einen möglichst großen Abbildungsmaßstab erreichen, gibt es nur einen Weg: Man muss die Brennweite möglichst kurz halten.
Die Weitwinkelkamera mit ihrer naturgemäß kleinen Brennweite ist damit der beste Kandidat für einen Makromodus, aber das ist nur der erste Grund. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Kameramodule meist unterschiedlich große Sensoren haben, und der Sensor der Weitwinkelkamera ist durchweg kleiner als der der Hauptkamera. So ist es, wie erwähnt, auch beim iPhone 17 Pro. Ein kleinerer Sensor benötigt für denselben Bildwinkel eine noch kürzere Brennweite als ein größerer Sensor, und in diesem Fall liegt die reale Brennweite bei nur 2,1 Millimetern. Daher hatten die Entwickler einen großen Spielraum, dieser Kamera mit einer im Verhältnis zur Brennweite großen Bildweite eine kurze Naheinstellgrenze zu geben. Das ist der zweite Grund.
Der kleinere Sensor hat noch einen weiteren Effekt: Je kleiner der Sensor, desto kleiner ist auch der für eine formatfüllende Aufnahme nötige Abbildungsmaßstab. Daher muss man gar keinen extrem großen Abbildungsmaßstab anstreben und kann kleine Motive dennoch groß herausbringen. Das ist der dritte Grund.
An dieser Stelle könnte man einwenden, dass die Telekamera doch ebenfalls einen kleineren Sensor hat, die Gründe zwei und drei daher ebenso für diese sprächen. Das stimmt, aber es reicht nicht aus, die Entscheidung für die Weitwinkelkamera umzustoßen. Die Telekamera des iPhone 17 Pro hat eine reale Brennweite von 16,4 Millimetern. Dass diese Kamera überhaupt in das Gehäuse (das vorspringende Objektiv mit eingerechnet) passt, liegt daran, dass die Bildweite von der zweiten Hauptebene des Objektivs gemessen wird, und bei einem echten Teleobjektiv liegt diese vor der Frontlinse. Teleobjektive können daher kürzer als ihre Brennweite sein. Ohne diesen technischen Kniff könnte die Telekamera nicht einmal auf Unendlich scharfstellen, und eine Erweiterung der Fokussierung in den Nahbereich wäre illusorisch. So läuft dann doch alles auf die Makrofotografie mit der Weitwinkelkamera hinaus, trotz der Nachteile, die damit einhergehen.